Freitag, 9. November 2012
"Das Ende vom Lied"
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Sean O'Casey - Das Ende vom Lied

Eine große, gemütliche Küche. Eine Treppe führt nach rechts in ein Zimmer. Etliche Stühle und ein Tisch, auf dem gebrauchtes Geschirr und ein großer Wecker stehen. In der Rückwand eine Tür. Es ist ein schöner Frühherbstabend, die Sonne steht schon sehr niedrig.

Darry: oben in der Zimmertür - er ist beim Rasieren, das Kinn ist eingeseift
Das Rasierwasser ist eiskalt. Hast du gehört Frau? Eiskalt ist mein Rasierwasser.

Lizzie: ruhig - räumt die Küche auf
Dann komm doch runter und machs dir heiß.
Darry: verächtlich
Tust grad so, als hättste viel zu tun. Das Bisschen, was hier zu tun ist, würde ich dreimal machen, und hinterher würde ich noch umkommen vor Langeweile.
Lizzie: Wenn du nur halb so viel zu tun hättest wie ich, könnte ich dich heute abend tot aus den Trümmern lesen.
Darry: Meinste?
Lizzie: Na Klar.
Darry: Bist du sicher?
Lizzie: Natürlich.
Darry: Wenn ich nur halb so viel zu tun hätte?
Lizzie: Oder noch weniger.
Darry: Müsstest du mich aus den Trümmern lesen?
Lizzie: Mitten aus den Trümmern.
Darry: Tot?
Lizzie: Mausetot.
Darry: wütend
Lieg ich dir nicht immerzu in den Ohren, das wir mal die Arbeit tauschen wollen, für ein paar Stunden bloß, aber das willste ja nicht. Ich würd dir zeigen, was du hier für'n Ruhepöstchen hast, während ich mich auf'm Feld abrackere.
Lizzie: Geh lieber und mäh die Wiese fertig. Das dauert nicht länger als ne halbe Stunde und noch ist's hell genug draußen.
Darry: hat sich inzwischen rasiert
Die Wiese mähen hat doch Zeit bis morgen. Lass mich den Kram im Haus hier machen, und du gehst Wiese mähen! Da machste nicht mit, was? Das passt dir nicht, wie? Krämpfe kriegt man, wenn man dir zusieht, wenn man dir zuhört, wenn man dich ansieht.
Lizzie: Du und Haushalt, das möcht ich erleben - das möcht ich wirklich erleben.
Darry: Was gibts denn hier schon groß zu tun - das möcht ich wirklich mal wissen.
Lizzie: Fütter du mal das Schwein und die Kuh und die Hühner und versorg alles. Und dann musst du noch plätten, kochen, waschen und nähen.
Darry: Nähen! Und an der ganzen Hose habe ich grad noch zwei Knöpfe dran. Das reinste Wunder, dass ich sie noch nicht verloren hab und die Nachbarn sich aufregen.
Lizzie: Wenn du weiter so redest, geh ich und mäh die Wiese, und du kannst sehen wie du hier zurande kommst.
Darry: ärgerlich
Schwirr ab, schwirr ab! Ich werde dir schon zeigen, wie man nen Haushalt schmeißt. Ruhig und schnell, alles der Reihe nach, und ohne das Maul groß aufzureißen. Schwirr ab, wenn dir danach ist, und ich werd dir und deinesgleichen zeigen, wie man nen Haushalt schmeißt.
Lizzie: reißt sich wütend eine grellbunte Kittelschürze vom Leibe und schleudert sie auf den Fußboden. Wütend.
Zieh die an und mach alles, was noch zu tun ist. Ich geh die Wiese mähen. Zieh sie an und zeig der Welt und deiner lieben Frau, was du für Wunderdinge leistest in ner Kittelschürze.
Darry: etwas erschrocken
Hm, ich werd die Sache schon deichseln.
Lizzie: Und lass mir nicht diese Alice Lanigan rein, wenn ich weg bin, verstanden?
Darry: Welche Alice Lanigan?
Lizzie: gereizt
Da fragste noch? Dieselbe Alice Lanigan, mit der ich dich erst gestern erwischt habe, als du mit ihr die Zeit verquatscht hast, anstatt die Wiese zu mähen. Alice Lanigan, die immerzu rumstichelt, ich hätt im Haus so gut wie nichts zu tun. Alice Lanigan, die dir den Floh ins Ohr gesetzt hat, du gäbst einen vollendeten Kafferlier ab, wenn du nur n bisschen weniger Bauch hättest. Deswegen machste jetzt ihr zuliebe solche Bocksprünge. Alice Lanigan mein ich, die auf die fünfzig zugeht und sich auftakelt wie n Backfisch, und mit dem Busen wackelt wenn sie reinkommt, und mit dem Hintern , wenn sie rausgeht, wie die Lady von Shalott, damit die Männer drauf reinfallen - genau die Alice Lanigan hab ich im Auge.
Darry: Nicht mal im Schlaf denk ich an Alice Lanigan.
Lizzie: Ich hab dich beobachtet, als du splitternackt vorm Spiegel deine Kniebeugen gemacht hast, als du dachtest, ich schlaf wie'n Ratz, und dabei hat dir die letzte Missionsstunde noch in den Ohren geklungen - und alles wegen Alice Lanigan. Du hast wohl keine Ahnung, das sie n Kond hat, dem noch nie n Vater über den Kopf gestreichelt hat.
Darry: Mach bloß, dass du wegkommst, ich werd dir schon zeigen, wie man den Haushalt schmeißt.
Lizzie: setzt sich einen breitkrempigen Hut auf, zieht sich ein paar alte Handschuhe an und nimmt die Peitsche vom Wandhaken.
Das eine kann ich dir sagn, sich mit Alice Lanigan einzulassen ist ne riskante Sache, selbst wenn der Priester dazu ja und amen sagt. Du wirst schon merken, wie die euch an der Strippe tanzen lässt, dich und Barry Derril. Das ist auch so n alter Pinsel, und kurzsichtig ist der, der sieht nicht mal den Himmel, wenn nicht grad der Mond scheint.
Darry: Wiedersehen!
Lizzie: an der Tür
Ich gehe jetzt, und bin gespannt, wie du mit dem Kram hier zurechtkommst.
Darry: Gehab dich wohl! Und lass dir gesagt sein, das ist erst der Anfang vom Lied.
Lizzie: Geb's Gott das es nicht gleich das Ende ist und dass wenigstens noch die vier Wände stehen wenn ich wiederkomm.
sie geht hinaus

Darry: schlendert zur Tür und sieht ihr nach, wie sie den Weg hinuntergeht. Spöttisch, zu sich selbst.
Die Wiese mähen! Soll sie auslöffeln, was sie sich da eingebrockt hat.
Er macht die Tür zu, als von ferne die Rathausuhr acht schlägt. Darry kommt zurück, blickt auf den Wecker auf dem Tisch, sieht, dass er stehengeblieben ist, nimmt ihn in die Hand, hällt ihn ans Ohr, schüttelt ihn, fängt an ihn aufzuziehen, merkt, dass es schwer geht, und dreht mit Gewalt, bis es im inneren der Uhr laut knackt und rattert wie beim springen einer starken Feder. Hastig stellt er den Wecker zurück. Er überlegt ein Weilchen, nimmt wieder die Uhr und öffnet die Rückseite, wobei die gebrochene Feder herrausspringt; er stopft sie schnell wieder zurück und stellt die Uhr auf dne Tisch
Das kann nur Lizzie Passieren!

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